Forests and their perception by the general public. On the analysis of a present-day cultural subject
2001
Lehmann, A.
German. Das heutige Waldbewusstsein der nicht in Forstberufen taetigen Bevoelkerung wird hier auf der Grundlage einer qualitativen empirischen Untersuchung dargestellt. Es geht bei dieser kulturwissenschaftlichen Fragestellung nicht um den Zustand der Waelder, sondern darum, wie diese den Menschen in ihrem Denken und Erleben subjektiv gegeben sind, wie sie gewuenscht und genutzt werden und auf welchen Traditionen (Literatur, bildende Kunst, Musik etc.) die heute wirkenden Kulturmuster basieren. - Wenn Wald in der Lebensgeschichte eine wichtige Bedeutung erreicht, laesst sich das regelmaessig auf verinnerlichte Erfahrungs- und Erinnerungsmuster vom Typ "Familienwanderung" und auf die Wirkung vorbildhafter Personen zurueckfuehren. Die emotionale Bindung an Wald gilt dabei meistens bestimmten Waldformen, etwa den Fichtenwaeldern im Harz. Die in der Bevoelkerung verbreiteten Vorstellungen von einem schoenen Wald reflektieren in subjektiven Modifikationen vornehmlich die in der Romantik entstandene kulturelle Bilderwelt. Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts hatte dieses Kulturmuster die Schicht der Industriearbeiter erreicht. - Bei der Landschaftswahrnehmung faellt ein geschlechtsspezifischer Unterschied ins Auge. Waehrend Maenner vielfachden Panoramablick in der Tradition der trivialisierten Landschaftsmalerei favorisieren, konzentrieren sich Frauen ausserdem wesentlich haeufiger auf den Mikrokosmos der Moose und der Krautschicht des Waldes. Die Gesamtheit der aesthetischen Vorstellungen wird heute von oekologischen Befuerchtungen ueberlagert und teilweise dominiert. - Bis in die Gegenwart hat der Wald nachts, aber auch in der Stille des Mittags, fuer viele eine Unheimlichkeit behalten. Hier wirken Traditionen aus "vormoderner" Zeit, speziell Maerchen und Sagen in die Gegenwart hinein. In exemplarischer Weise erreichen diese auf eine Mensch-Umwelt-Harmonie angelegten in der Gesamtbevoelkerung bis in die aktuelle Naturphilosopie verbreiteten Wirklichkeitsbilder die esoterischen Mittelschichtsmilieus der Staedte. Doch auch historische Ereignisse der Gegenwart, z.B. der Reaktorunfall von Tschernobyl und Ereignisse der Nachkriegsgeschichte des 2. Weltkriegs, werden nach dem Vorbild traditioneller Formen des Waldbewusstseins "mythenhaft" verarbeitet. Die Hysterie, die sich in weiten Teilen der Bevoelkerung in den 1980er Jahren um das "Waldsterben" entwickelte, sollte auch im Kontext eines von romantischen Ganzheitsvorstellungen, tradierten Mythen und Aengsten gepraegten Waldbewusstseins interpretiert werden. Jedenfalls bleibt Wald in der deutschen Oeffentlichkeit infolge der politischen Geschichte und der Kulturgeschichte ein sensibles gesellschaftliches und politisches Kulturthema. Die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gegebene politische Funktion eines nationalen Symbols hat "der Wald" infolge der neueren Geschichte mit ihrer "deutschen Waldideologie" zunehmend eingebuesst.
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